Tarot

Die Karte „V Der Hierophant“

Der „Hierophant“ (V) ist die Folgekarte des „Herrschers“ (IV). Doch während wir beim „Herrscher“ aufgefordert sind, für Struktur und Ordnung zu sorgen, geht es beim „Hierophanten“ darum, die Kontrolle wieder aufzugeben und sich dem Sinn des Lebens zu zuzuwenden. Die Zahl Fünf, die auch der „Hierophant“ trägt, wird aus der Sicht der Numerologie als die „Zahl des Menschen“ bezeichnet und ist in diesem Zusammenhang nicht immer einfach zu verstehen.

Einerseits soll sie für das Vertrauen in das Leben stehen, andererseits wird sie aber auch als die klassische „Krisenzahl“ betrachtet, was ihr auch den Ruf als ungünstige Zahl eingebracht hat. Symbolisiert die Vorgängerzahl Vier noch Ordnung und Sicherheit, kann bei der Fünf nach der Lehre der Zahlenmystik bereits der erste Wandel – nicht selten in Form einer Krise – einsetzen.

Tatsächlich scheint die Fünf auch innerhalb des Tarots ambivalent besetzt zu sein: Während der „Hierophant“ den Geistlichen und Gläubigen, der auf die Schöpfung vertraut, symbolisiert und deshalb nicht selten als „Schutzkarte“ gehandelt wird, kommen die Fünfen innerhalb der Reihe der Kleinen Arkana teilweise schlechter weg. So stehen die Karten für folgende Bedeutungen:

  • 5 der Stäbe: Herausforderung und Wettbewerb
  • 5 der Kelche: Enttäuschung und Abschied
  • 5 der Schwerter: Kampf, Niederlage oder Trotz
  • 5 der Münzen: Krise und Entbehrungen.

Doch bei näherem Hinsehen haben all diese Fünferkarten ein gemeinsames Potenzial: Es ist der Mut zur Herausforderung, die Entwicklung von Prinzipien und der Glaube an den Sinn des Lebens. Ebenso könnte man sagen, dass eigentlich in jeder der Fünfer-Karten ein „kleiner Hierophant“ steckt, denn die Zahl Fünf wirkt hier auf jedes einzelne Element ein. Und so herausfordernd die einzelnen Karten auch sein mögen – sie zeigen auch an, dass sie die Lernfähigkeit des Menschen stärken.


Numerologisch ist die Zahl Fünf die Zahl des Menschen und die Zahl der geballten Kraft – 5 Finger bilden eine ganze Hand und 5 Zehen hat jeweils ein Fuß, auf dem das Körpergewicht lastet. Die Zahl Fünf gilt auch als die Zahl des 5 Elements („quinta essentia“), sie stellt das Lebensprinzip dar und die Herstellung dieser Quintessenz ist das eigentliche Bestreben in der Alchemie.
Im Tarotdeck vom Arthur Waite (Bild ganz oben) ist der „Hierophant“ in einer Weise abgebildet, wie oftmals im Altertum Christus oder Gott als Weltenherrscher dargestellt wurde: er thront zwischen zwei Säulen und blickt den Betrachter direkt an. In seiner linken Hand (normalerweise die Hand, in der Christus oder Gott eine heilige Schrift hält), hat er eine Art Zepter, während die rechte wie zum Schwur erhoben ist, wobei Zeige- und Mittelfinger aufrecht sind – sie versinnbildlichen das preisgegebene Wissen, während die anderen beiden Finger etwas zu verdecken scheinen und auf verborgenes Wissen hinweisen. Während der Hintergrund grau und trist wirkt, trägt der Geistliche selbst ein auffallend rotes Gewand.
Rot ist grundsätzlich eine Farbe der Kraft und der Willensstärke. Dass auf dem Bild unter dem roten Gewand weiße Ärmel hervorblitzen, ist symbolisch als Zeichen der Reinheit und Unschuld zu verstehen. Weiß sind auch die beiden Schuhe, die klein und unauffällig unter dem Gewand hervorlugen und die indirekt auf zwei gekreuzte Schlüssel weisen. Zu seinen Füßen sind zwei Schüler, die offensichtlich knien und zu ihm emporblicken, wobei die Tonsuren den Rückschluss zulassen, dass sie keine Anfänger mehr sind. Möglicherweise handelt es sich um die so genannten „Schlüssel zur Weisheit“, die sich zwischen ihnen befinden. Es liegt also an den Schülern selbst, ob sie das dargebotene Wissen er-„schließen“ möchten oder nicht… Dass der „Hierophant“ als Lehrer auf altes und geerbtes Wissen sowie tradierte Gepflogenheiten zurückgreift, versinnbildlichen die beiden Säulen im Hintergrund.

Auf einer gewissen Weise finden wir diese Szene auf der Karte „Der Teufel“ (XV) wieder, wobei hier einige Details ins Gegenteil verkehrt wurden, wie beispielweise die Haltung der Finger der rechten Hand. Doch sowohl beim „Hierophanten“ als auch beim „Teufel“ geht es um Prinzipien und Überzeugung. Doch während wir sie beim „Hierophanten“ auf aufrichtige Weise leben, beschreibt der „Teufel“ die in den Schatten gerutschte Seite des „Hierophanten“. Dass die Übergänge hierzu fließend sein können, ist nicht nötig zu erwähnen, denn schließlich ist der Weg zur Hölle ständig mit guten Vorsätzen gepflastert. Dies erlebten wir bereits in der Geschichte und erleben wir heute in Form von religiösem Fanatismus…
Soviel ist also klar: Der „Hierophant“ ist nicht nur der langweilige Geistliche, sondern er begegnet uns im täglichen Leben in Gestalt vom Vorbildern, Gelehrten, Wissensträgern… Aber auch in Form von Dogmatismus und Überzeugungstätern.

 Doch was bedeutet nun der „Hierophant“ in der Deutung bzw. im Kartenbild? Wird diese Karte gezogen, dann kann sie anzeigen, dass wir Lehrer oder Schüler sind. Wir sind nicht mehr Anfänger wie einst der „Narr“ (0), sondern haben nach vorausgegangener Idee (I „Magier“), hervorgebrachter Geduld (II „Hohepriesterin“), erfreulichem Wachstum (III „Herrscherin“) und geschaffener Struktur und Kultivierung (IV „Herrscher“) nun unsere Ideale und Überzeugungen geschaffen, die in der nächsten Folgekarte (VI „Liebende“) auf die Probe gestellt werden können.
Der „Hierophant“ ist also eine Verbindung von Glaube und Erfahrung und wird deshalb auch häufig dem astrologischem Tierkreiszeichen „Schütze“ und dem Planeten Jupiter zugeordnet. In Fragen nach Partnerschaft und Beziehung steht diese Karte deshalb für gegenseitiges Vertrauen und einer buchstäblichen „Absegnung“ der Beziehung in Form von Heirat oder ähnlichem. Auf der beruflichen Ebene hält diese Karte zur Sinnfindung an, und sei es zur Suche nach dem Sinn in unserem Tun. Und auf der spirituellen Ebene symbolisiert sie die persönliche Weltanschauung und Wahrheit.

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